Helmut Kohl angemessen würdigen - Aber nicht mit Umbenennung des Ratshausplatzes
Rede von Dieter Schiffmann zum Antrag der CDU-Stadtratsfraktion
Die CDU hat in der Stadtratssitzung am 30. August 2017 das Angebot der SPD darüber, mit welcher Straßen- oder Platzbenennung in Frankenthal der verstorbene Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl gewürdigt werden soll, in einem 'geordneten Findungsprozess' und unter Einbeziehung der Ideen und Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger zu entscheiden, brüsk zurückgewiesen. Stattdessen hat sie, unterstützt lediglich vom einzigen FDP-Stadtrat und dem sich der CDU-Parteidiszplin unterordnenden Oberbürgermeister, gegen SPD, FWG, Grüne und Linke die Umbenennung des Rathausplatzes in "Helmut-Kohl-Platz" mit 23 gegen 19 Stimmen durchgeboxt.
In der Debatte hatte Ratsmitglied Dieter Schiffmann für die SPD-Fraktion erläutert, warum seine Fraktion den zentralen Platz, die Mitte Frankenthals, der noch nie - auch nicht in der Nazizeit - nach einer Person benannt worden ist, für eine Würdigung von Helmut Kohl für ungeeignet hält.
Die Rede können Sie unter 'Weiterlesen' nachlesen:
Rede von Dieter Schiffmann zur Beratung des CDU-Antrags ‚Umbenennung Rathausplatz in ‚Helmut-Kohl-Platz’“ (Drs. XVI/1920)
Anrede,
gestatten Sie mir vorab eine persönliche Bemerkung. Vor zwei Jahren habe ich in unserer kulturellen Zeitschrift „Frankenthal einst und jetzt“ unter dem Titel „Straßenkampf in Frankenthal“ einen Untersuchung über die ganze Geschichte der Straßenbenennungen und –umbenennungen in unserer Stadt veröffentlicht. Ich hatte eigentlich gehofft, als Lehre aus den vielfältigen politischen Auseinandersetzungen seit dem Kaiserreich vermittelt zu haben, dass Benennungen, die nicht von einem breiten Konsens getragen werden, nur Unfrieden stiften und selten eine lange Haltbarkeit aufweisen. Mir scheint fast so, als müsste ich diesen Artikel um ein weiteres problembehaftetes Kapitel fortschreiben.
Anrede
im ersten Abschnitt des CDU-Antrags wird auf die Verdienste von Helmut Kohl als überzeugter Europäer und- Zitat – „Kanzler der Einheit“ abgehoben. An dieser Stelle, hier im Stadtrat ist es müßig im Sinne historischer Korrektheit dieses Etikett auf den Prüfstand zu stellen, weil es ja auch der CDU nicht um historische Wahrheit, sondern um Politik geht. Aber – das sollte schon gesagt werden - nicht umsonst hat ja z.B. auch der renommierte Mainzer Historiker, CDU-Parteifreund von Herrn Baldauf und zweifacher Schatten-Kultusminister in Julia Klöckners Schattenkabinett, Andreas Rödder, sein Standwerk zur Geschichte der deutschen Einheit mit dem bemerkenswerten Satz begonnen: „Am Anfang war Gorbatschow.“ Lassen wir das so einmal stehen, denn wir sind hier ja nicht im historischen Oberseminar.
Bemerkenswerterweise hat die CDU ihren Katalog der Verdienste Helmut Kohls etwas salopp mit den zwei kleinen Wörtchen „vor allem“ versehen. Aber auch das, was – hier zart angedeutet – ansonsten mit der langen Kanzlerschaft Helmut Kohls, ihrem Ende und dem Ende seines CDU-Ehrenvorsitzes verbunden ist, soll hier nicht ausgeleuchtet und vertieft werden.
Unter dem Strich steht für uns Sozialdemokraten: Helmut Kohl ist über alle persönlichen Schwächen hinweg ein großer Europäer gewesen, der die politische Union Europas entscheidend geprägt hat, ein deutscher Patriot, der das einmalige historische Momentum des Zusammenbruchs des SED-Regimes für die Herstellung der deutschen Einheit genutzt hat. Er ist auch ein tief in seiner Heimat verwurzelter Pfälzer gewesen, der biographisch eine ganze Reihe von Bezügen zu Frankenthal hatte. Deswegen sind auch wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten der Auffassung, dass er im öffentlichen Raum Frankenthals eine würdige Ehrung erfahren sollte.
Anrede,
Benennungen und Umbenennungen von Straßen, Plätzen und öffentlichen Einrichtungen wie beispielsweise Schulen sind – wie auch die Geschichte der Straßennamen in Frankenthal lehrt - heikle politische Akte, die eigentlich besonderer Sorgfalt und Sensibilität bedürfen. Sie mit knappen aktuellen Mehrheiten zu entscheiden, hat noch nie lange getragen. Mit demselben Recht kann dann eine andere neue Mehrheit so etwas auch wieder rückgängig machen.
Straßennamen sind als „in Asphalt gegossene kollektive Erinnerungssymbolik“– genau so wie z.B. Namen von Schulen oder auch Museen – immer auch Medien zur Steuerung und politischen Nutzbarmachung von Erinnerung. Sie gehören zur Sphäre der symbolischen Politik, einer Politik, die mit hegemonialem Anspruch auf dem Weg über Symbole den öffentlichen Raum besetzen will. Sie will damit das kollektive Bewusstsein darüber bestimmen, wer und was in den Sphären von großer und kleiner Politik, Kultus, Kultur und Wissenschaft in der Vergangenheit (und damit natürlich auch in der Gegenwart und der Zukunft) im wahrsten Sinne des Wortes „ehrwürdig“ und Erinnerns wert sein soll.
Dieser hegemoniale Anspruch durchweht auch den heute zu beratenden CDU-Antrag, der überdies auch in der Kontinuität des CDU-Antrags zur Benennung eines Platzes in Frankenthal nach dem ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im Jahr 2015 steht. Erstaunlich, dass nach dem Tod des ehemaligen und zweifelsohne bedeutsamen Bundespräsidenten Roman Herzog im Januar dieses Jahres die CDU keinen weiteren Antrag gestellt hat. Irgendwann wird es ja ein bisschen eng in der Frankenthaler Innenstadt, wenn nach und nach alle führenden CDU-Politiker mit Platz- und/oder Straßennamen in Frankenthal geehrt werden sollen. Gottseidank ist Angela Merkel noch relativ jung und scheint sich bester Gesundheit zu erfreuen.
Anrede
Die Argumentation des CDU-Antrags ist in mehrfacher Hinsicht nicht ganz stimmig. Die in der Begründung aufgestellte Forderung, dass um im öffentlichen Raum an Helmut Kohl zu erinnern und seiner zu gedenken „eine repräsentative Fläche“ seinen Namen tragen sollte, tragen wir mit. Dafür zur Begründung die Benennung der durch den Bau der Tiefgarage neu geschaffenen Anlage hinter dem Rathaus nach Willy Brandt anzuführen, kann für sich nicht überzeugen. Denn hier wurde eine bis dato namenlose Anlage mit einem Namen versehen, mit der postalisch auch keine Hausnummern verbunden sind, die hätten geändert werden müssen.
Ganz und gar nicht sinnfällig und in keiner weise begründet, ist die Behauptung im letzten Satz der Begründung: „Hierfür bietet sich der Rathausplatz an.“ Wieso und warum? Und wenn hier die Worte „bietet sich an“ sich noch so anhören, als könnne man darüber diskutieren, so ist davon im eigentlichen Antrag keine Rede. Hier heißt es kurz und bündig: „Der Rathausplatz wird umbenannt in ‚Helmut-Kohl-Platz’“ Ohne wenn und aber, ohne jeglichen Zweifel oder erkennbare Diskussionsbereitschaft will die CDU den zentralsten, den bedeutendsten Platz in Frankenthal, den Mittelpunkt der Stadt für Helmut Kohl mit Beschlag belegen.
Lassen Sie mich daran erinnern: Nie in der Geschichte der Stadt Frankenthal seit ihren Anfängen wurde dieser Platz mit dem Namen einer Persönlichkeit belegt. Davon hat man tunlichst und aus guten Gründen die Finger gelassen. Immer war er der „Mert“, also der Markt, der „Marktplatz“ oder der „Rathausplatz“, der zentrale Platz mit einer klaren und erkennbaren Funktionszuweisung für die Bürger der Stadt. Da ist nicht einmal die bürgerliche Mehrheit im Stadtrat im Kaiserreich auf die Idee gekommen den Platz nach Kaiser Wilhelm I., nach Kanzler Bismarck, nach König Ludwig oder Prinzregent Luitpold zu benennen. Weder die linke noch später die rechte Mehrheit in der Weimarer Republik hat sich an diesem Platz mit einer personalen Umbenennung vergangen. Und selbst die umbenennungswütigen Nazis haben den Marktplatz nicht mit dem Namen des „Führers“ belegt, sondern nur die benachbarte Bahnhofstraße in ‚Adolf-Hitler-Straße’ umbenannt. Als die linke Stadtratsmehrheit nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 den Marktplatz in „Platz der Freiheit“ umbenannt hatte, wurde das von der folgenden Mehrheit von Demokratischer Partei und CDU 1949 wieder zu Gunsten der Benennung in „Rathausplatz“ geändert. Seitdem ist bis heute niemand mehr auf die Idee gekommen, sich benennungsmäßig am zentralen Platz der Stadt zu vergreifen.
Anrede,
ich hoffe doch, dass in der CDU-Fraktion das Gespür für die Sensibilität eines solchen Vorhabens und für die gebotene Suche nach einem breiten Konsens sich noch durchsetzt. Aber es gibt auch einige ganz pragmatische Gründe gegen diese Benennung. Der einfachste, aber wichtigste: Für die Frankenthalerinnen und Frankenthaler wird auch ein „Dr. Helmut-Kohl-Platz“ immer ‚der Rathausplatz’ bleiben. Kaum ein Mensch wird künftig zur Strohhutfest-Eröffnung oder zum Strohhutfest-Konzert von Grabowski auf den „Dr.Helmut-Kohl-Platz“ eilen, einfach weil niemand, und nicht nur Auswärtige mit dieser Bezeichnung etwas verbinden wird.
Ein weiteres Argument: Von einer solchen Umbenennung wären neben der Stadtverwaltung eine ganze Reihe von Geschäften und Privatpersonen rund um den Rathausplatz mit beachtenswerten Kosten betroffen, die ihre Werbematerialien, Briefbögen wegwerfen könnten und ihre postalische Adresse bei einer riesigen Vielzahl von Unternehmen und Institutionen ändern müssten.
Anrede
Nehmen Sie sich ein Beispiel an unserer Nachbarstadt Ludwigshafen, dem Geburts- und Wohnort von Helmut Kohl. Dort hat der CDU-Oberbürgermeisterkandidat Dr. Peter Uebel nämlich dafür plädiert – ich zitiere, dass „sowohl die politischen Gremien als auch die Stadtgesellschaft sich zu gegebener Zeit über eine passende Würdigung Gedanken machen“. Er hat seiner Ludwigshafener Fraktion vorgeschlagen, in einen „geordneten Findungsprozess“ einzutreten.
Liebe Frankenthaler CDU nehmen Sie diesen vernünftigen Vorschlag auf und lassen Sie uns in einen angemessenen und der Person und dem Anliegen würdigen „geordneten Findungsprozess“ eintreten, anstatt ihren unpassenden Vorschlag hier durchpeitschen zu wollen. Das kommunalpolitische Porzellan, das sie gegenüber uns und vielen Bürgerinnen und Bürgern zerschlagen wollen, wird ihnen irgendwann hundertprozentig ganz schmerzhaft auf ihre Füße fallen.
Nicht zuletzt gibt es ja in der rheinland-pfälzischen Kommunalverfassung auch Instrumente, die es den Bürgern erlauben, sich gegen unsinnige Entscheidungen von Stadtratsmehrheiten zur Wehr zu setzen. Ich erinnere an den Paragraphen 17a der Gemeindeordnung über Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, mit der die Bürgerinnen und Bürger Ratsentscheidungen auch wieder kippen können.
Anrede
Wir lehnen den Benennungsvorschlag der CDU ab und warnen dringend vor einem Schnellschuss. Aber wir sind natürlich gesprächsbereit, in einem „geordneten Findungsprozess“ im Ältestenrat oder im Haupt- und Finanz-Ausschuss eine angemessene Würdigung der politischen Leistungen von Helmut Kohl im öffentlichen Raum der Stadt Frankenthal zu erarbeiten. In diesen Findungsprozess sollten unserer Ansicht nach auch die Ideen und Meinungen der Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden. Machen wir es nicht schlechter als die Ludwigshafener Kommunalpolitik.