Es muss sich mehr bewegen! Es hängt zu vieles!
Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Bernd Leidig zur Beratung des Haushalts 2019
In der Stadtratssitzung am 5. Dezember 2019, die in großen Teilen im Schatten der Debatte über die durchgesickerten Gutachter-Vorschläge zur Kommunalreform - und hier vor allem zur vorgeschlagenen Eingemeindung Frankenthals anch Ludwgshafen stand, warnte SPD-Fraktionsvorsitzender Bernd Leidig in seiner Haushaltsrede vor Stillstand und dem bloßen Beharren auf dem Bestehenden. Die SPD unterstütze die vorgesehenen Investitionen, krisiere aber das viel zu langsame Tempo z.B. beim KiTa-Ausbau. Auch beim Wohnungsbau, und hier vor allem beim sozialen Wohnungsbau komme die Verwaltung nur schleppend voran. Die schwierige Personalsituation in der Verwaltung hänge nicht nur mit der Konkurrenz der Privatwirtschaft zusammen, sondern auch mit dem Betriebsklima. Hier stehe der Oberbürgermeister als Personaldezerment in erster Linie in der Verantwortung.
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BERND LEIDIG
REDE ZUM HAUSHALT 2019 IM STADTRAT AM 05.12.2018
Anrede
ich muss zugeben, es fiel mir nicht ganz leicht mich dieser Tage der Haushaltsrede zu widmen. Ist es nicht gerade erst einige wenige Monate her, dass wir an gleicher Stelle über dem Zahlenwerk für das Jahr 2018 brüteten. Ist es nicht erst wenige Wochen her, dass der Nachtragshaushalt von der Aufsichtsbehörde genehmigt wurde? Was also gibt es viel neues zu sagen?
Vielleicht mag es an diesen trüben Regentagen gelegen haben? Oder an der Schwermut eines von den Umfragewerten gebeutelten Sozialdemokraten, die eine gewisse Schreibblockade mit sich brachte? Nachdenklichkeit machte sich bei mir breit. Nach nunmehr fast zehn Jahren Ratsarbeit und knapp einem Jahr Fraktionsvorsitz richtete sich der Blick ungewollt eher zurück, anstatt sich am Vorausblick auf das Jahr 2019 zu orientieren.
Und nun auch noch die turbulenten Ereignisse der letzten Tage und Wochen.
Da fragt man sich: Wo bewegen wir uns hin? Was bewegen wir als Kommunalpolitiker? Sicher einiges. Doch mal ehrlich, inwieweit wird eigentlich Notiz genommen von dem, was hier im Rat und in der Verwaltung beschlossen und auf den Weg gebracht?
Denn wie wir nicht nur dieser Tage erlebt haben, eine Schlagzeile, Emotionen, Stimmungen haben da viel mehr politisches Gewicht und wecken offenbar größeres Interesse, als das Zahlenwerk unseres Haushaltes, mit dem wir uns nun seit einigen Wochen herumschlagen und über das heute Beschluss zu fassen ist. Ein Zahlenwerk, dass Weichenstellung bedeutet und welches festlegt, womit wir unsere Stadt voranbringen wollen und wo unsere Handlungsschwerpunkte sein sollen.
Wissen sie meine Damen und Herren, es war ein Zitat, an dem ich in diesen aufgeregten Tagen in den sogenannten sozialen Netzwerken hängen blieb und das mich seither doch sehr beschäftigt. Dort schrieb jemand unter dem Post unseres Oberbürgermeisters „Frankenthal bleibt Frankenthal“ folgendes:
Bitte keine Veränderung. Alles soll so bleiben!
Symbolisiert dieser Ausspruch nicht exemplarisch das, was Politik und Gesellschaft seit längerem prägt und quält?
Ist das unser Auftrag meine Damen und Herren? Oder im Umkehrschluss, ist es das, was wir den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt als Ergebnis unserer Arbeit und unserer Verantwortung für Frankenthal präsentieren wollen?
Bitte keine Veränderung. Alles soll so bleiben!
Nein meine Damen und Herren, dafür sind wir Sozialdemokraten nicht zu haben. Wir stellen uns den Herausforderungen und ringen gerne mit ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern um die beste Lösung. Losgelöst von politischer Inszenierung, losgelöst von politischer Instrumentalisierung und in gebotener Besonnenheit und Sachlichkeit.
Bitte keine Veränderung. Alles soll so bleiben.
Nein Herr Oberbürgermeister, da halte ich mich dann doch lieber an das, was ihr Amtsvorgänger in diesem Raum immer gerne betonte. Nämlich das nur was sich wandelt Bestand habe. Und dahingehend zielt beispielsweise unser heutiger Antrag „Kommunal- und Verwaltungsreform: Interkommunale Zusammenarbeit statt Kommunalreform?“. Offensiv an die Zukunftsfragen herangehen und nicht den Henker vor dem Urteilsspruch tätig werden lassen. Dafür möchten wir mit unserem Antrag werben. Das und nicht das Schaulaufen -meine Damen und Herren- ist aus unserer Sicht verantwortliche Politik. Damit haben wir uns schon längst eindeutig und klar gegen die Eingemeindungsidee positioniert.
Anrede
Ich habe mir vorgenommen heute an dieser Stelle nicht das gesamte Repertoire an Themenfeldern aufzugreifen. Nach dem Lauf durch die Gremien wäre das nur ein gebetsmühlenhaftes Rekapitulieren. Mit einigen Einzelheiten werden wir uns ja noch im Verlauf des heutigen Tages zu befassen haben.
Lassen sie mich also mit kritischem Blick nur auf einige Schwerpunkte des vorliegenden Haushaltes eingehen.
Anrede
Das Prinzip Hoffnung lebt. Herr Oberbürgermeister, auch wenn wir ihrer mit der Haushaltseinbringung im November 2016 angekündigten Trendwende gerne gefolgt sind, die Aussicht auf einen ausgeglichenen Haushalt bleibt weiterhin in weiter Ferne. Wird sich die Schere zwischen Aufwendungen und Erträgen doch in absehbarer Zeit schließen lassen?
Die Kennzahlen im Vorbericht des Haushaltes 2019 lassen an der einen oder anderen Stelle verhaltenen Optimismus aufkommen. Auch erkennbare Verbesserungen seitens der Zuwendungen des Landes möchte ich nicht unerwähnt lassen. Denken sie zum Beispiel an die Einführung der Schlüsselzuweisung C3, die nennenswerte Verbesserungen bringt. -Wohl wissend, dass Bund und Land weiterhin gefordert sind, die Haushaltssituation der Städte zu verbessern.
Wir alle wissen um die Unwägbarkeiten:
- Wohin entwickelt sich die Grundsteuer?
- Welchen Schwankungen wird die Gewerbesteuer unterliegen?
- Wie sattelfest ist die prognostizierte Steuerschätzung der nächsten Jahre?
- Wohin entwickelt sich die Zinslandschaft?
um nur einige, aber auch hinreichend bekannte Parameter zu nennen.
Demgegenüber stehen beispielsweise zunehmend steigende und notwendige Anforderungen und somit Kosten für Bildung und Betreuung. Also für alles, was sich unter dem Begriff der Vereinbarkeit von Familie und Beruf subsumieren lässt. Und schließlich die rund zwei Drittel des Haushaltes, die für die soziale Sicherung und für Personal und Versorgungsaufwand aufzuwenden sind.
Dennoch, der vorgelegte Haushalt bekennt sich trotz eines Defizits von knapp 7,5 Mio. Euro klar zu Investitionen mit Schwerpunktsetzungen im Bereich des Schulbaus. Und das unterstützen wir ausdrücklich. Mit knapp 19 Mio. Euro sollen zukunftsweisende Investitionen getätigt werden. Darüber hinaus sieht der Plan nochmals gute 3 Mio. Euro für Sanierung und Unterhalt vor.
Gerade im Schulbau wird und wurde schon viel umgesetzt. Dennoch stellen uns die zunehmenden Bedarfe an Ganztagsangeboten und Mittagsverpflegung vor große Herausforderungen. Den vom Oberbürgermeister angekündigten Schulentwicklungsplan können wir nur begrüßen.
Anrede
Sorge bereitet uns die Situation bei den Kindertagesstätten.
Betrachtet man den Bedarfsplan und stellt eine überschlägige Berechnung an, so fehlen uns etwa 5 bis 6 weitere KiTa-Bauten. Hinzu kommen die Erweiterungen der Angebote aus der anstehenden KiTa-Novelle. Bei der derzeitigen Schlagzahl der Umsetzung von Neubauten und Erweiterungen wäre die Deckung des Bedarfs der Stadt Frankenthal in etwa 10 bis 15 Jahren erreicht. Neben dem gerade in Angriff genommenen Bau der KiTa in der Eppsteiner Weidstraße sind weitere Fortschritte im Moment nicht erkennbar.
Das Vorhaben im Zusammenhang mit der Konzeptvergabe des sogenannten Parkplatzes P2 ist gescheitert, der Ausgang des B-Plan-Verfahrens am Ostparkstadion und die Überlegungen am ehemaligen Rot-Weiß-Platz ist noch offen und die Maßnahmen der Freien Träger ins Stocken geraten.
Anrede
Für diesen Herbst wurde uns die Vorstellung des lange erwarteten Wohnraumversorgungskonzeptes angekündigt. Unbestritten ist, dass Bedarf an Wohnraum besteht. Mit Spannung erwarten wir also die Ergebnisse und Erkenntnisse die aus dem Wohnraumversorgungskonzept gezogen werden können. Denn allein über prognostizierte Hektar- und Quadratmeterzahlen lässt sich eine geordnete und bedarfsgerechte Wohnraumentwicklung nicht steuern.
Es bedarf tiefergehender Analysen. Wo können wir bauen? Welche Wohnformen, welche Wohnungsgrößen werden benötigt? Welche Bevölkerungskreise und Einkommensverhältnisse sind verstärkt oder vorrangig zu berücksichtigen? Welche Akteure können in Frankenthal leistbaren Wohnraum schaffen?
Fragestellungen, deren Beantwortung wir schon vor Jahren mit unserem Antrag „Handlungskonzept Wohnen“ eingefordert haben.
Sieht man von einzelnen Projekten einiger Bauträger ab, hat sich in den letzten Jahren im Wohnungsbau nicht viel getan.
Ein Vorzeigeprojekt der Innenentwicklung ist zweifellos der heute auf der Tagesordnung stehende Einleitungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Lauterecken-Nord“.
Wir begrüßen ausdrücklich das Zusammenwirken mit der König & Bauer AG und das zügige Fortschreiten im Sinne des Masterplans für das Albert-Frankenthal-Quartier.
Doch klar ist auch, dass dort nur Wohnraum geschaffen wird, der höheren Einkommensklassen vorbehalten ist. Wir sehen große Chancen in der Entwicklung preisgünstigeren Wohnraums in der Umsetzung des Baugebietes am Speyerbach.
Nicht zuletzt aber ist es für die gesamte städtebauliche Entwicklung wichtig, dass die Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes an Fahrt gewinnt.
Anrede
Zu einer unendlichen Geschichte wurde die Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes und des Zentralen Omnibusbahnhofs. Ich habe mir sagen lassen, dass ein Mitglied des Stadtvorstandes hier schon als junger Ingenieur erste Pläne anfertigte. Und ich möchte jetzt nicht nachrechnen, vor wie vielen Jahren das gewesen ist. Wir hoffen, dass es hier bald erste sichtbare Fortschritte geben wird und damit der ÖPNV gestärkt und die Barrierefreiheit hergestellt wird.
In diesem Zusammenhang erwarten wir längst ein überzeugendes Betreiberkonzept für das in der Nachbarschaft geplante Fahrradhaus.
Anrede
Eine zentrale Aufgabe für das gesellschaftliche Gefüge und Miteinander in unserer Stadt sind die Themenfelder Migration und Integration. Frankenthals Geschichte als Migrantenstadt wird immer wieder gerne betont. Ja und ich sage Migration und Integration zeichnet geradezu das Wesensbild und die Identität unserer Stadt aus. Aber das ist nicht nur Geschichte, sondern Gegenwart. Eine Realität! Man verschone uns vor Kräften die versuchen, dieses Thema ideologisch zu instrumentalisieren. Hier sind keine zerstörerischen Kräfte, sondern Ideen und Gestaltungskraft gefragt.
Vor wenigen Jahren konnten wir hier das Integrationskonzept der Stadt verabschieden. Das Integrationskonzept wurde damals auf breiter Basis und –ich spreche hier als Mitwirkender- in den vorbereitenden Arbeitskreisen mit großer Motivation angegangen. Der Bedeutung der Thematik entsprechend, wurde in der Stadtverwaltung auch der Bereich Migration und Integration eingerichtet und damals zur „Chefsache“ erklärt. Wir sind froh, dass die Leitungsstellen inzwischen wieder besetzt werden konnten und hoffen auf weitere Impulse um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Offenheit in unserer Stadt zu befördern. Mit gutem Beispiel gingen ja viele ehrenamtlich Tätige voran, denen ich von Herzen an dieser Stelle danken möchte.
Anrede
Bei all den vielen Aufgaben und Projekten, die in der Verwaltung und dem sogenannten „Konzern Stadt“ zu bewältigen sind, schauen wir mit Sorge auf die Personalsituation.
Wenn es auch eine Stichtagsbetrachtung ist, so offenbart doch ein Blick auf den Soll-Ist-Vergleich des Stellenplans, dass wir uns bei den Stellenvakanzen in einer Größenordnung von annähernd 20% bewegen. Und dabei sind Krankheitsausfälle, Fortbildungszeiten, Urlaub etc. nicht berücksichtigt. Wir beobachten auffällige Vakanzen und Personalfluktuationen in einzelnen Bereichen oder Abteilungen der Verwaltung. Hier müssen Problemlagen identifiziert und Lösungen gefunden werden. Die SPD-Fraktion hat diese Problematik in den Gremien mehrfach angesprochen. Auch sie, Herr Oberbürgermeister, haben wiederholt und in ihrer diesjährigen Haushaltsrede nachdrücklich angekündigt, dass es eine dringende Aufgabe ist, die Personalsituation zu verbessern und die Erarbeitung eines Personalentwicklungskonzeptes angekündigt. Wir erwarten mit Spannung die Lösungsansätze und erste spürbare Verbesserungen.
Meine Damen und Herren, lassen sie mich zum Schluss meiner Ausführungen kommen.
Ein chinesisches Sprichwort besagt:
„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“.
Anrede
Ich glaube sagen zu können, dem Wind des Wandels müssen wir uns doch eigentlich permanent, ja täglich stellen. Und für die SPD-Fraktion nehme ich doch in Anspruch, dass wir lieber Windmühlen als Mauern bauen.
Mit Blick auf die nahende Kommunalwahl also wünsche ich mir, dass künftig keine Mauern gebaut werden, dass Gott uns davor behüten möge, dass in diesem Hause Denkweisen Einzug halten die wir glaubten oder hofften hinter uns gelassen zu haben.
In diesem Sinne danke ich ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen im Rat, den Damen und Herren in den Ausschüssen und Beiräten, Ihnen, sehr geehrte Herren des Stadtvorstandes und natürlich ihnen, sehr geehrte Damen und Herren der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit im zurückliegenden Jahr.
Ich wünsche ihnen allen eine schöne Adventszeit, schöne und erholsame Weihnachtsfeiertage und ein Glück und Gesundheit für das kommende Jahr 2019!